DCV vor Streichung aus Spitzensportförderung
vom 20.10.2014
Das Präsidium des Deutschen Curling-Verbandes sieht sich in der traurigen Situation, seine Vereine, Sportler und Partner darüber zu informieren, dass der Verband sehr wahrscheinlich aus der deutschen Spitzensportförderung gestrichen wird. Zwar fehlt hier noch der endgültige Bescheid des Bundesministeriums des Inneren, aber nach Rückmeldungen aus mehreren Quellen im DOSB und BMI besteht kaum noch Zweifel daran, dass es tatsächlich die Absicht ist, den DCV wegen einer im Gesamtkontext geringen Finanzierungslücke von 350.000 Euro im gesamten Wintersportbereich als ersten olympischen Fachverband in Deutschland zum 01.01.2022 aus der kompletten Förderung zu nehmen.

Die Folgen sind höchst dramatisch und für den Verband, aber auch für unseren Sport, absolut verheerend. Leider haben die zuständigen Stellen uns bis vor wenigen Tagen komplett im Ungewissen gelassen, so dass wir offenbar mitten in der laufenden Saison vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Erste Signale aus dem DOSB gab es erst Ende September, so dass wir zumindest vorsorglich alle Trainer und den Sportdirektor fristgerecht zum 31.12.2014 kündigen konnten, um nicht im Januar bereits in ein finanzielles Desaster zu laufen.

Aufgrund von Resturlaub steht uns damit der Sportdirektor nur noch bis zum 30.10.14, Beate Grimm als Stützpunkttrainerin/Geschäftsstelle in Füssen bis zum 20.11.14 zur Verfügung. D.h. ab Mitte November ist der DCV im Leistungssportbereich handlungsunfähig und der neue Bundestrainer (befristet bis 31.12.2014) hat vor Ort keinen Ansprechpartner mehr. Die EM findet vom 22. bis 29. November 2014 statt. Ohne den Sportdirektor ist die Koordination und Organisation nicht aufrecht zu erhalten.

Der neue Bundestrainer, der alle bislang von seiner Qualifikation und seiner Herangehensweise überzeugt hat, wird seine bereits initiierte Umstrukturierung im Aktivenbereich zum Ende des Jahres einstellen müssen. Damit ist der DCV auch im sporttechnischen und -fachlichen Bereich führungslos. Aufgrund der geringen Anzahl an Mitgliedern wird sich der DCV kein Leistungssportpersonal mehr leisten können. Das bedeutet, die Athleten müssten alles, bis hin zur WM-Teilnahme, selber organisieren und finanzieren.
Anfang Januar 2022 findet die Qualifikation der Junioren- und Juniorinnen für deren WM statt. Ohne zusätzliche Mittel müssen wir aus heutiger Sicht hier alle geplanten Vorbereitungsmaßnahmen auf die Qualifikation absagen und darüber hinaus auch die Teilnahme an dem Wettbewerb in Frage stellen. Auch der gerade sehr erfolgreiche und bezüglich Talententwicklung sehr positiv und erfreulich verlaufene Sichtungslehrgang für die Youth Olympic Games 2016, der ein essentieller Baustein für künftige Curling-Generationen sein sollte, wäre damit ad absurdum geführt.

Auch die Bundesstützpunkte (derzeit Garmisch, Oberstdorf und Füssen) brechen dem DCV weg: Laut negativem Bescheid aus Bayern müssen wir Garmisch und Oberstdorf als Nachwuchsstützpunkt aufgeben. Eine Einstellung der Sportstättenförderung hätte zusätzlich zur Folge, dass uns die bisher gewährten Eiszeiten nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Situation in Füssen wäre ungeklärt, da wir bei Wegfall der Förderung der Eismeister kein wettkampffähiges Eis mehr zur Verfügung hätten und ggf., wie auch an den anderen Standorten, die Nutzung der Trainingsstätten auf ein Mindestmaß, sprich Vereinsniveau mit zwei Mal Training die Woche, reduziert oder ganz aufgegeben würde. An Sommertraining ist dann gar nicht mehr zu denken, da die Sportstätten uns kein Eis zur Verfügung stellen werden. Der neu vorgesehene Bundesstützpunkt in Hamburg wäre somit auch hinfällig.

Wir haben gegenüber DOSB und BMI klar kommuniziert, dass ein solcher Schritt fürs deutsche Curling ein Rückfall in die Steinzeit bedeutet. Der Leistungssport im Deutschen Curling-Verband ist am Ende und hat so wahrscheinlich für lange Zeit keine Chance mehr zurückzukommen. Für Außenstehende scheint es auf dem Papier ein Leichtes, die Sportförderung zu streichen, doch die tatsächlichen Konsequenzen, auch auf den Breitensport und damit den gesamten DCV, sind aus heutiger Sicht nicht zu überschauen. In jedem Fall wird uns damit der Boden unter den Füßen weggezogen.

Zum Verhängnis soll dem DCV eine Finanzierungslücke auf der Personal-Förderungsseite im deutschen Wintersport von etwa 350.000 Euro werden, von denen der DCV etwa 60.000 Euro beanspruchen würde. Da das BMI nicht bereit ist, diese Mittel aufzustocken, wird der DCV aus der Gesamtförderung genommen, um die Lücke zu stopfen. Das DCV-Präsidium bedauert diesen Schritt nicht nur, sondern ist entsetzt, wie hier mit einem olympischen Spitzenverband umgegangen wird, der in der Vergangenheit immer wieder mit relativ geringer Förderung und viel Engagement Einzelner große Erfolge für den deutschen Sport eingefahren hat.
Gerade angesichts der Tatsache, dass der DCV sich hinsichtlich der Leistungsförderung mit neuem Konzept und neuem Bundestrainer – einem der renommiertesten Curling-Trainer im deutschsprachigen Raum – neu aufgestellt hat, um wie von BMI und DOSB gefordert mittel- bis langfristig den internationalen Anschluss wiederherzustellen, ist es besonders unverständlich, dass zu diesem Zeitpunkt ein solcher Schritt erfolgt.
Welchen Eindruck es von einer Nation erzeugt, die sich für 2024 oder 2028 als Olympia-Gastgeber positionieren möchte, wenn man einen bis dato recht erfolgreichen olympischen Fachverband einfach so über die Klippe stößt, lassen wir hier mal dahingestellt.

Im Namen des gesamten Präsidiums

Dieter Kolb
Präsident